01 23 Magazin für Architektur, Garten und Lebensart

Understatement

Inmitten kleinteiliger Ein- und Mehrfamilienhäuser, meist mit Satteldach gebaut, liegt ein weitläufiges parkähnliches Grundstück mit alten Tannen, das sich direkt hinter dem Firmengelände des Bauherrn befindet. Hier, in dem fast inselartigen Ort, planten Wacker Zeiger Architekten Hamburg ein Wohnhaus nach Art der amerikanischen Case Study Houses.

Gleich bei der ersten Ortsbegehung war klar – bei diesem Objekt wird drinnen und draußen in einem anderen Bezug stehen als bei üblichen Einfamilienhaus-Grundstücken“, erklärt der Architekt Ulrich Zeiger.
Das Raumprogramm: 135 Quadratmeter Wohnfläche für zwei Bewohner und ein gut 50 Quadratmeter großes Nebenge­bäude. Amerikanische Case Studies der 40er- und 50er-Jahre waren das Leitbild für den Entwurf der Hamburger Architekten. „Case Study Houses“, auf Deutsch „Fallstudien-Häuser“, waren im Bereich der experimentellen Wohnhaus-Architektur ein Programm, das Entwurf und Errichtung von einfachen und kostengünstigen Modellhäusern vorsah und wurde von Arts & Architecture gesponsert. Das Magazin konnte bedeutende Architekten dieser Zeit beauftragen: Richard Neutra, Raphael Soriano, Craig Ellwood, Charles und Ray Eames, Pierre Koenig, Eero Saarinen, A. Quincy Jones, Edward Killingsworth und Ralph Rapson. Sie versuchten, neue Formen des Wohnens zu entwickeln und entwarfen sowie bauten Musterhäuser für den Wohnungsbauboom der Vereinigten Staaten, der durch das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Rückkehr von Millionen von Soldaten verursacht wurde. Das „Case Study Houses“-Programm stellt eine innovative Episode in der Geschichte amerikanischer Architektur dar, das starken Einfluss auf die internationale Architektur hatte.

Nach dem Lüneburger Ort Adendorf übersetzt, präsentiert sich diese „Fallstudie“ mit einer geschlossenen Fassade zur Firma und einer weiten Öffnung zum Garten. Der Plan des mehrfach ausgezeichneten Architekturbüros Wacker Zeiger holt den Garten gleichsam ins Haus hinein: Großflächige Glasschiebetüren ermöglichen freie Durchgänge von bis zu 18 Quadratmetern. Umgedreht zum Haus kehrt die Nebenanlage mit Garage und Schuppen dem Garten die geschlossene Seite zu und öffnet sich nach Norden. Insgesamt entsteht ein spannungsvolles Zusammenspiel von opaken und transparenten Flächen.

Dem genius loci entspricht das Ensemble bewusst nicht. „Wird das eine Gedenkstätte?“, fragten interessierte Passanten. Nicht jeder Adendorfer bringt Verständnis für die mit Cortenstahl beplankte Bebauung auf. Die Bauherrenschaft kommt mit den polarisierenden Rückmeldungen (noch) gut klar. Innen eröffnet sich eine lichtdurchflutete Raumfolge. Vom Zentralraum – Küche, Essplatz, Wohnbereich – zweigen obergadenbelichtete Gänge in den Gäste- und in den privaten Trakt ab. Die zurückhaltende Materialisierung der Oberflächen, die dezente Ausstattung mit künstlichem Licht und die sparsame Möblierung entsprechen dem Impetus der Architektur. Das Haus ist auf einer Betonplatte abgesetzt. Es ist in einer hybriden Bauweise aus Stahl und Holz konstruiert und es repräsentiert die schlichte Eleganz ­klassischen Understatements.

www.wackerzeiger.de

Polarisierendes Ensemble in schlichter Eleganz

ARCHITEKT Wacker Zeiger Architekten, Hamburg
LAGE Hamburg Lüneburg
BAUJAHR 2016
FLÄCHE Haus/Wohnfläche 135 qm, Garage/Schuppen 50 qm
STATIKER Ingenieurbüro Heimann, Lüneburg
HOLZELEMENTKONSTRUKTION/DACHTECHNIK Holzbau Schröder, Römstedt
METALL-/GLASFASSADE Soetebeer Metallbau, Adendorf
ELEKTRO Baumann & Schöndube Elektrotechnik, Lüneburg
SANIT'ÄR-/HEIZUNGSBAU Fred Zander, Lüneburg