01 23 Magazin für Architektur, Garten und Lebensart

Siegerpose!

Wie aus innovativem Design und Können, Leidenschaft und Ausdauer ein prachtvolles und herausragendes Bauwerk entsteht, präsentiert der Architektur-Professor Dirk Henning Braun.

Nichts Geringeres als das spektakulärste Gebäude der Stadt – das war der Wunsch der Bauherren, als sie sich per Email an den bekannten, mehrfach ausgezeichneten Architektur-Professor für ihr neues Familienrefugium mit zwei Kindern wendeten. Und Dirk Henning Braun, der regelmäßig in die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten der RWTH Aachen involviert ist, dankte es seinen Bauherren mit einem Feuerwerk an Entwürfen. Ganze fünf Konzepte fertigte er an, bevor sich das Paar für dieses Objekt entschied und ihn beauftragten. „Dass diese besonderen Bauherren keine 08/15-Pläne erwarteten, war uns von Anfang an klar“, erklärt Dirk ­Henning Braun schmunzelnd. Und der gewagteste und extrovertierteste fand Gefallen: Ein Gebäude in einer Mischung aus klassischer Architektur mit klaren großformatigen Geometrien und avantgardistisches Design mit neuen, innovativen Materialien. „Wir verglichen das Design mit Wally Yachts aus Italien und schon hatte das Gebäude bei uns seinen Namen weg: ‚white wally‘“.

Ein geometrisch geschnittener Körper schwebt auf einer gläsernen Fuge, mit Abmessungen von 15 mal 30 Metern, über das in die Topologie des Grundstücks eingebettete Sockelgeschoss. Das kantige Volumen nimmt eine Tiefgarage für vier Autos, eine Poollandschaft, eine Gästewohnung mit Loggia und verschiedene Nebenflächen auf. Über die individuell eingelassenen Verglasungen mit verschiedenen Formaten ist das silberne Textil der Firma Ferrari gespannt und erzeugt die homogene, großflächige Präsenz des architektonischen Entwurfs. Die charakteristische Fuge entlang der Seitenansichten erlaubt ungestörte Ausblicke aus den Zusatzzimmern im Obergeschoss.

Zu den Seiten und zum Eingang unter dem Überhang zeigt sich der Körper geschlossen und öffnet sich transparent Richtung Wald im Süden. Richtung Süden ist auch der private Bereich der Eigentümer. Hier im Obergeschoss sind auch zusätzliche Zimmer sowie ein Kino und ein Atelier untergebracht. Der Überhang im Norden des Gebäudes überdacht die Eingangssituation. Er bildet einen besonderen Raum für die Begrüßung der Besucher und Gäste. Funktion und Gestalt gehen in dem Refugium ineinander über. In dem zugewachsenen Sockelgeschoss befinden sich untergeordnete Nutzungen wie Schwimmen, Parken, Gast, Hauswirtschaft und Gartenarbeit. Durch die umlaufende Glasfuge getrennt, schweben dann die Hauptnutzungen Wohnen, Kochen, Essen, Arbeiten und Schlafen im silbernen Körper, der sich zu den Seiten diaphan und zum Park hin transparent öffnet.

Alle Innenräume sind reinweiß gehalten. Sie werden durch gezielte objektbasierte Farben fein und gekonnt in Szene gesetzt. Der Wohnraum im Erdgeschoss fließt mit abgesenkter Lounge – die einen vier Meter langen Gaskamin und eine offene stahlblaue Küche aufnimmt – in den Außenraum über den Garten. Sie verleiht dem Wohnraum die eigene unverwechselbare Note und spannt einen zweigeschossigen offenen Raum auf, der durch eine verglaste Galerie Wohn- und Arbeitsbereiche verbindet. Atelier und Kino werden durch zwei fassadenseitige Achsen erschlossen, die vom Garten über die zwei weißen Freitreppen hinweg bis zum schrägen Überhang reichen. Die Schräge entspricht genau dem Steigungsverhältnis der beiden inneren Treppen: Man läuft also vor dem Treppenlauf die Neigung herauf oder herab und erschließt so, ohne sichtbare Treppe, die beiden Geschosse bis zum Garten. Pool- und Wellnessflächen finden sich im Sockelgeschoss, dienen als Ruhezonen der Eigentümer und haben einen direkten Anschluss ins Grün. „Besonders wichtig war uns, die Wasserflächen im ungenutzten Zustand als beruhigte Flächen wirken zu lassen. Daher wurden die Übergänge der Überläufe besonders fein und unsichtbar ausgeführt.“ Auch der Whirlpool ist eine besondere Konstruktion mit einem vorgefertigten Sitzbauteil und der gleichen Wasserhöhe wie das Becken, die sich erst absenkt, wenn der Whirlpool genutzt wird.

Allein die Beschreibung des Gebäudes lässt erahnen, wie vielschichtig die Herstellung eines solchen Gebäudes in Wirklichkeit ist. Nahezu jedes Bauteil für innen und außen wurde individuell an die komplexen Geometrien angepasst und mit großem Aufwand vorgedacht, ausgeschrieben und später montiert. Professor Dirk Henning Braun hat eine große Kulisse wider des alltäglichen geschaffen, die sich sehen lassen kann. Ein Villenwunder auf höchstem Niveau.

www.braunarchitecture.com

Aufregende Architektur
auf höchstem Niveau

ARCHITEKTURBÜRO Braunarchitektur, Aachen
BAUJAHR 2017