01 23 Magazin für Architektur, Garten und Lebensart

Schlicht und einfach schön

Eine zurückgenommene Architektur wünschten sich die Bauherren von dem Hamburger Architektenduo. Reichwaldschultz lieferten ein Domizil, dessen purer Ästhetik man sich nicht entziehen kann.

Ein Holzbau sollte es werden, „der die heiter entspannte Einfachheit nordischer Ferienhäuser ebenso wie die nüchterne Klarheit von Gehöften dieser Region aufnimmt“, erklärt Architekt Peter-Karsten Schultz. Das Gebäude liegt inmitten eines dicht bebauten typischen
Einfamilienhaus-Neubaugebietes im Nord-Westen Hamburgs. „Wie können wir unsere Vorstellungen mit in die Nachbarschaft ein­fügen?“, lautete die Frage des Bauherren. Das Nordic Farmhouse von Reichwaldschultz ist die passende Antwort.

Das Domizil für die vierköpfige Familie in Ellerbek ist ein Winkelbau, der aus zwei direkt aneinander­gesetzten, eingeschossigen Häusern besteht. Der Zugang erfolgt über ein langes, schmales Gebäude, das sich mit Koch-, Ess- und Wohnbereich in die Tiefe des Grundstücks nach Süden orientiert. Über dem Eingangsbereich im Eck erschlossen ist ein zweites Gebäude mit Individualräumen nach Nordosten und gegenüberliegenden dienenden Bereichen wie Bad, Duschbad, Hauswirtschaft und Ankleide. Der offene Giebelraum bleibt in der Regel frei sichtbar, lediglich in den zwei Kinderzimmern und dem Gäste- und Arbeitszimmer befinden sich kleine Galerien im Spitzboden. Für Rohbau, Fassade, Dach und Teile des Innenausbaus zeigt sich Holzbauspezialist Christian Stolz mit seinem Bauunternehmen verantwortlich. Die Kon­struktion wurde in Rahmenbauweise gefertigt und mit einer vorvergraut lasierten Schalung aus gehobelter Lärche verkleidet. Die maximal zulässige Bebaubarkeit in der Fläche wurde zugunsten einer ebenerdigen Organisation des Grundrisses voll ausgereizt.

Die winkelförmige Anlage des Gebäudes schafft auf dem eigenen Grundstück drei unterschiedliche Außenraumqualitäten: Einen minimierten Eingangshof mit zwei Stellplätzen direkt an der Zufahrt, angrenzend einen kleineren Südgarten mit Holzterrassendeck und schließlich im Zusammenhang mit den Nachbarn im rückwärtigen Gebäudezwickel eine große Wiese mit individuellen Zugängen von allen Schlafräumen und vom Ess- und Wohnbereich. An Nord- und Ostgiebel, dort, wo das Gebäude am präsentesten an die Nachbarn stößt, zeigt es sich fensterlos. Der dritte Giebel an der westlichen Ecke des Gebäudes schiebt sich in die Flucht der Zufahrt, die Holzschalung der Fassade zieht sich einheitlich auch über die Haustüre, sodass die eigentümlich losgelöste Giebelwand selbst zum Eingangszeichen wird. Von hier wirkt der Bau in seiner Dimension nicht wie ein gängiges Einfamilienhaus, sondern eher wie zwei zusammengerückte kleine Ferienhäuser. Im Gegensatz dazu überrascht das Gebäude auf der Gartenseite durch seine Größe und die Offenheit der Fassade.
Nach einem kleinen Entree mit Einbaugarderobe, das von einem großen quadratischen Fenster zum Eingangshof belichtet wird, erreicht man geradewegs die zentrale Giebelhalle des Hauses mit der Staffelung von Küche, Ess- und Wohnbereich in einem nur 3,60 m breiten, aber 11,70 m langen und bis zu 4,60 m hohen Raum. Bestimmend ist der durchgängige robuste Gussasphaltboden mit einer speziellen Mischung aus nur weißgrauen Steinen.

Die Küche wurde passend zum Charakter des Hauses entworfen. So verschwinden alle Hochschränke mit Kühlkombination, Ofen und Stauraum bündig eingelassen in der Wand. Auch das Kochfeld mit nach außen geführter Tischlüftungsanlage sitzt mittig in einer Nische, sodass optisch der Eindruck eines großen Herdes entsteht. So bleibt als zentraler Ort einzig der Küchenblock raumbestimmend übrig, der zum gemeinsamen Vorbereiten und Essen bis hin zum Verweilen oder auch Arbeiten genutzt wird.

Neben den schneeweißen Fronten der Küchenmöbel, die sich deutlich von dem grauweiß gestrichenen Gesamtraum absetzen, wird bei den Arbeitsplatten und der Rückwand der Kochnische das Material des Bodens neu übertragen: Weiße, runde Mosaikfliesen im dunkelgrauen Fugenbett greifen die Musterung des Asphalts als eine Art abstrahiertes Punkteraster wieder auf und bringen gleichzeitig eine intensive Materialität in das Herzstück des Gebäudes. Der Ausblick durch das Schiebefenster vom Arbeitsbereich der Küche nach Süden in den Garten sorgt zusammen mit dem Dachfenster direkt über dem Tresen für eine differenzierte Tageslichtstimmung.

Offener ist der anschließende Essbereich in der Mitte der Giebelhalle gestaltet: Durch die zwei gegenüberliegenden, leicht versetzten Schiebetüren entsteht das Gefühl, in einem bedachten Bereich zwischen Terrasse und Wiese draußen im Garten zu sitzen. Im eher zurückgezogenen Wohnbereich mit einer raumhohen Regalwand als Abschluss steuert lediglich ein weiteres Dachfenster das Tageslicht.

Räumlich ganz anders entwickelt sich das Schlafhaus. Das schon beschriebene, eigentümliche Spiel der Dimensionen wird hier wieder aufgegriffen: Die Länge des Flures von 12 m wird durch seinen geringen Querschnitt noch unterstrichen. Eine Verkleidung aus Seekieferplatten an Wänden und Decke lässt den Eindruck eines begehbaren, überlangen Möbels entstehen. Öffnet man die Türe am Ende dieser Holzröhre, weitet sich der Raum im Schlafzimmer bis zu einer Höhe von 5,30 m. Alle Zimmer haben einen Gartenzugang, die drei Kinder- und Arbeitszimmer jeweils eine Galerie mit Oberlicht. Entsprechend der Nutzung sind in diesen Bereich Eichendielen verlegt.

Die Bäder sind kompakt und bis zu 3,90 m hoch, der Gussasphalt aus dem Wohnbereich wird hier bis zur bodengleichen Dusche fortgeführt. Ein Raster aus ­Fliesen im liegenden Format mit dunkelgrauen Fugen variiert auf einfachste ­Weise das Gestaltungsthema der Küche. Horizontal verlaufende Spiegel führen die Flucht der Fenster fort, Ausblick und Einblick überlagern sich. Das Nordic Farmhouse von Reichwaldschultz wurde für den DAM Preis für Architektur in Deutschland 2019 nominiert.


www.reichwaldschultz.de

astrein verkleidet

ARCHITEKTEN REICHWALDSCHULTZ ARCHITEKTUR & URBANISTIK, Berlin/Hamburg
LAGE Ellerbek
BAUJAHR 2017
FLÄCHE Wohnfläche 155 qm
GENERALBAUUNTERNEHMER Bau Christian Stolz Bauen, Hamburg
FASSADE Lärchenholzschalung gehobelt, vertikales Z-Profil, KORALAN Vergrauungslasur
DACHDECKUNG DS STÅLPROFIL Pfannenblech
FENSTER/TÜREN Mahrenholz Holzfenster
STATIK Ingenieurbüro Frank Czernitzki, Husum
GUßASPHALT Gußasphalt Maeske, Löwenstedt/Kiel
KÜCHE MEIRO Design, Norderstedt
GRUNDBELEUCHTUNG Prediger Lichtberater, Hamburg