01 23 Magazin für Architektur, Garten und Lebensart

Ohhh de Cologne

4711 ist die Erfolgsgeschichte, die unsere Stadt 
in aller Welt bekannt gemacht hat. Keine geringere Adresse als das Innere des Stammhauses in der Glockengasse durfte das Studio ASH in neuem Glanz erscheinen lassen.

Flagship Stores unterliegen gewissen Anforderungen. Schließlich geht es um nicht weniger als die Symbiose von Marke und Architektur. Darüber hinaus möchte der Mikrokosmos eines Ladengeschäfts mit dem urbanen Makrokosmos der Innenstadt verzahnt werden. Eine internationale Marken-Ikone und eine starke Architektur waren vorhanden, als das Unternehmen ­Mäurer & Wirtz 2016 einen Wettbewerb zur Modernisierung seines Traditionshauses in der legendären Glockengasse ausloben ließ. Zuvor bereits beobachtete ein aufmerksames Publikum den Wandel im Hause 4711: Eine neue Produktserie in frühlinghaftem Gewand hatte 2009 Einzug in die Parfümerien gehalten. Doch die Marketing­abteilung drängte weiter. Eine dynamische, junge Kundschaft im Blick, setzte sie auf das Stammhaus als Instrument für modernes Storytelling. Doch wie wird aus einem Traditionshaus ein Ort der Begegnung und Inspiration?

Nachdem das Kölner Innenarchitekturbüro Studio ASH die Wettbewerbsjury mit seinen Ideen überzeugen konnte und den Zuschlag für die weitere Zusammenarbeit erhielt, ging es ans „Aufräumen“. Denn wenn das Team um Astrid Kölsche und Silke Knodel die „Seele des Raums“ zu Tage fördert und ihr Materialität verleiht, muss Überflüssiges weichen. Dieser ­architektonische Ansatz bringt die Funktionen, die ein Gebäude zu erfüllen hat, in die richtige Ordnung. Dabei gehen die Gestalterinnen behutsam vor und berücksichtigen bauliche und betriebliche Erfordernisse sowie Liebgewonnenes und Traditionen. Dennoch: Erst auf Grundlage nüchterner Überlegung darf inszeniert, gespielt und fantasiert werden. Unterschwellig spüren dies die Besucherinnen und Besucher des ­Stores und lassen sich deshalb gerne einnehmen von der großen Geste, die sich ihnen beim Betreten des Stores präsentiert.

Zum Beispiel ist da die Freitreppe. Sie erinnert an Fernseh-Revuen der 1960er Jahre und ist ein ­deutlicher Hinweis auf die Ära, der das Gebäude entstammt – der neogotischen Fassade zum Trotz und zum Trost für die Architekten, die sich angesichts der üblichen zahlreichen Überraschungen beim Bauen im Bestand nicht auch noch mit Denkmalschutzvorgaben auseinandersetzen mussten. Am Fuße der Treppe platzierten die Innenarchitektinnen des Studio ASH ein Re-Make des Duftbrunnens, der bereits vor dem Umbau als fester Bestandteil der Verkaufsräume galt. Ergänzt wird das geschichtsträchtige Ensemble durch ein weiteres Firmen-Heiligtum – den Gobelin, der die berühmte Haus-Nummerierungsszene aus napoleonischer Besatzungszeit in Midcentury-Manier wiedergibt. Die Freitreppe lenkt den Blick zur Empore und zu einem weiteren theatralischen Highlight, das mittels eines bronzierten Spiegels optisch erhöht von der Decke baumelt: Ein Kronleuchter aus 108 Glasflakons des kölnischen Wunderwassers. Die eigens für den Store kreierte Konstruktion muss den Vergleich mit den Requisiten der benachbarten Bühnen von Oper und Schauspielhaus nicht scheuen. Ihr Durchmesser beträgt 3,20 Meter bei einem Gewicht von rund 450 Kilo. Nicht minder gewichtig präsentiert sich die neue Verkaufstheke. Auf einer hölzernen Unterkonstruktion ruhen 2 cm dicke Platten aus italienischem Marmor, bis zu 7 Meter lang. Ein derart massiver Altar erhebt jegliche menschliche Handlung auf kultisches Niveau. Doch was war letztlich ausschlaggebend bei der Wahl der Materialien?

„Wertigkeit, Authentizität, Ursprünglichkeit vermögen meist natürliche Stoffe zu vermitteln“, erklärt Silke Knodel. Astrid Kölsche ergänzt, dass aufgrund des hohen Alkoholgehalts in der Luft viele industrielle Werkstoffe von vornherein ausschieden.

Atmosphärenwechsel. Im Obergeschoss befindet sich das Duftmuseum, wo das Drama auf Sparflamme köcheln darf und das berühmte Bremer Blau zugunsten von viel Weiß ein wenig zurücktritt. Großzügigkeit und sparsam eingesetzte moderne Gestaltungsakzente umgeben die sogenannten Präsentationskuben. Sie wurden ebenfalls von Studio ASH als Sonderanfertigung geplant, um die Exponate aus über 200 Jahren Firmengeschichte angemessen zu präsentieren. Außer einem lehrreichen und amüsanten Parcours durch die Geschichte des Parfums beherbergt das Obergeschoss Duftseminare sowie die hierfür notwendigen Versorgungseinrichtungen. Die Räume können außerdem für Veranstaltungen angemietet werden.

www.studio-ash.de

Raumkunst, die keine Grenzen kennt

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