Unklare Zonen, Zwischentöne, Zwischenräume unseres alltäglichen Seins – die Malerei von Miwa Ogasawara stellt zeitübergreifende, unkonkrete und unfassbare Situationen dar, die sich zwischen Traum und Wirklichkeit finden. Irgendwo im Nirgendwo.
Ihre Bilder sind still. Spiegelung, Windhauch, Nachwinter, Grau, Fliegen, Gerade, Einsicht – schon die Titel ihrer Arbeiten machen deutlich, dass es sich nicht um Objekte handelt, sondern um einen Zustand, eine unbestimmte Zeit, in der man verweilt, sich verliert oder wiederfindet. Wie ein Raum mit verblassenden Erinnerungen fängt die Künstlerin unsichtbare, unausgesprochene, alltägliche Momente des menschlichen Seelenlebens ein und gibt sie verschwommen, manchmal traurig, als Atmosphäre des Imaginären wieder – ein vorsichtiger Versuch, sich uns leise zu nähern, in all unseren Schattierungen. Denn der Farbauftrag ihrer Kunst ist vorwiegend in schwarz/weiß gehalten, ganz so wie in einer Traumwelt – klare, leuchtende Farben sind hier entzogen. Ihre Sujets sind Vorhang, Glaskugeln, Neonlampe, Vogel, Meer und Wolken am Himmel bis hin zu Universum. Ein Windhauch am Fenster, der die Trennung zwischen innen und außen aufzulösen scheint, eine Darstellung von Architektur, die sich in abstrakte Formen umstrukturiert, ein Raum, zum Verweilen oder zum Verlassen, eine Landschaft in einem Licht, das verschwindet oder gerade entsteht, eine Figur auf einem Weg ins Dunkle oder aus dem Dunklen heraus.
„Mein Anliegen ist es, natürliche, politische, ökologische und gesellschaftliche Widersprüche sowie die Fragilität der menschlichen Existenz sichtbar zu machen“, erzählt die Künstlerin, die 1973 in Kyoto, Japan, geboren wurde und in Hamburg lebt. In der Hansestadt hat sie bei den Professoren Norbert Schwontkowski, Werner Büttner und Michael Diers studiert. Ihre Arbeiten werden vom Centre Pompidou Paris, der Bundeskunstsammlung Deutschland, dem Arario Museum Seoul und von Jil Sander gesammelt und in Einzel- oder Gruppenausstellungen beispielsweise in der Pinakothek der Moderne, der Bundeskunsthalle Bonn und dem National Art Center Tokyo gezeigt. Außerdem sind einige ihrer Werke in dem Kunstbuch „Unspoken“, erschienen im Hirmer Verlag, zu sehen.
Man sieht eine Figur in der Landschaft, in einem leeren Raum, oft sind es in sich gekehrte Menschen. Es ist die Suche nach dem zutiefst Menschlichen, das die Künstlerin antreibt. In dem Wissen, dass die Existenz vom stetigen Modus der Veränderung geprägt ist. Nichts bleibt, wie es ist. Wir sind wandelbar wie die Gezeiten, wie der Himmel, wie das Licht. Die Welt ist ein Kontinuum aus Werden und Vergehen. Und das Bild kann nur ein Fragment des Lebens zeigen und nie „das Ganze“. Miwa Ogasawaras Suche nach der Klarheit endet immer in einer diffusen Zone, in der Ambivalenz.
Aus ihren Bildern können wir sogar manchmal soziale Konflikte herauslesen: Probleme wie die der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, der Diskriminierung, aber wir sehen auch den Widerstand und das Aufbegehren dagegen. Dass dies nicht die Aufgabe des Künstlers ist, solche Problematiken eins zu eins im Bild umzusetzen, weiß Miwa Ogasawara. Denn ein Maler ist kein Schriftsteller oder Architekt, er denkt sich keine Geschichten aus, er zeichnet keine Pläne. Aber die Malerei von Miwa Ogasawara regt uns an, eine Geschichte zu entwickeln, Erinnerungen oder Projektionen. Das ist das Schöne an Kunst.
www.miwaogasawara.de