01 23 Magazin für Architektur, Garten und Lebensart

Die Schöne im Dornröschenschlaf

Schwarzdesign erhielt den Auftrag die mehrfach umstrukturierte historische Villa zu einem klassischen Wohnhaus zu verwandeln. Behutsam mit Erfahrung und Bedacht.

Es war einmal eine wunderschöne Villa, die 1930 in Othmarschen von dem Architekten Martin Elsaesser für einen bekannten Tabakwarenfabrikanten entworfen wurde – mit grünlich changierender Fliesenfassade. Die Kacheln haben eine sogenannte Craquele-Glasur. Das Bauwerk erhielt 1932 diverse Erweiterungsbauten und kam auf 1.900 qm Wohn- und Nutzfläche. In den folgenden Jahrzehnten wurde das unter Denkmalschutz stehende Gebäude mehrfach umfangreich umgebaut. Die reine Wohnnutzung wurde durch die Kriegszustände 1945 abrupt beendet. Ab 1954 wurde sie gewerblich genutzt, unter anderem als Verwaltungsgebäude. In den 70ern kamen hier Kantine und Speisesäle unter, die später abgebaut wurden, um die originale Grundrisskontur wiederherzustellen. 2007 bis 2008 wurde sie als Domizil für Büros verwandelt – eine Vielzahl der originalen Möbel und Einbauten wurden immer mehr entfernt und zerstört. Das Gebäude ist heute dreigeschossig und voll unterkellert. Trotz umfangreicher und kostenintensiver Umstrukturierungen hat es bis 2010 keine erfolgreiche Weiterverwendung und An­mietung der Villa gegeben. Die sehr ­weitläufigen und für heutige Verhältnisse verschwenderischen Erschließungswege und Flure haben bis 2010 eine Büronutzung verhindert.

Die Villa lag im Dornröschenschlaf als sich Schwarzdesign von Industriedesigner Christof Schwarz mit einem zukunftsträchtigen Konzept ihrer annehmen durfte und sie erweckte. Der Wunsch war, das Gebäude in seiner Originalfunktion als klassisches Wohnhaus zu unterteilen und gleichzeitig die äußere Wirkung zu erhalten, um dem Original so nahe wie möglich zu kommen. Für größtmögliche Privatheit sollte es unterschiedliche Zugänge geben – die Mieter sollten das Gefühl haben „alleinige Bewohner“ zu sein. Heraus kam eine zeitlose und gradlinige Raumstruktur, die unterschiedliche loftartige und großzügige Wohnungen auf hohem Niveau zuließen. Gleichzeitig mussten die Vorgaben des Denkmalschutzamtes eingehalten werden, sodass die historische Anmutung und Architektur nicht weiter ‚verwässert‘ wird. Alle Umbauten und Veränderungen erfolgten entsprechend behutsam und umsichtig. Selbst die angrenzende Parklandschaft unterliegt dem Denkmalschutz, sodass die von Schwarzdesign neu definierten Terrassen und Austritte besonders achtsam in die jeweilige Landschaft eingebunden wurden.

Heute sind in dem Gebäude drei Wohnungen und eine Büro-/
Ausstellungsfläche untergebracht. Die loftartigen Wohnungen sind als Maisonette konzipiert, variieren von 180 bis 330qm, verfügen jeweils über mindestens zwei bis drei Vollbäder und sind mit großzügigen Wohnküchen mit Tresen und Kochinsel ausgestattet. Für den Boden wurden hauptsächlich geschroppte Eichenholzdielen in hellgeöltem Dekor verwendet. Die Messingtüren – mit schmalen Rahmen und Klarglasfüllung, naturbelassen oder brüniert – sind dem historischen Original nachempfunden. Wie die Türen waren die originalen Fenster als schmale, brünierte Messingrahmen mit Einfachverglasung entworfen worden. Allerdings beherrschen die Handwerkskunst, Messingrahmen in dieser Bauvariante herzustellen, nur sehr wenige Handwerksbetriebe. So kam es, dass die neuen Fenster als Sonderkonstruktionen von einer italienischen Firma geliefert wurden. In Absprache mit dem Denkmalschutzamt konnten Nachbildungen der Messing­profil-Fenster in den Bereichen eingebaut werden, wo Fassadenänderungen vereinbart waren.

Die optisch markanteste Wohnung ist im ehemals rotgefliesten Schwimmbad des Hauses. Die Wohnküche wurde unter der Galerieebene integriert. Oberlichter mit satiniertem Acrylglas liefern ausreichend Tageslicht in die hinteren Flächen. Heute noch kann man die restaurierten Terrakotta-Relief-Wandbeläge von Richard Scheibe erkennen, die sich in einer Vielzahl von Räumen wiederfinden. Die Glasfront im Wohnzimmer ist über 5,5 m hoch und ermöglicht einen unglaublichen Blick in den Park – direkt auf den historischen Springbrunnen. Einfach märchenhaft.

www.cschwarz.de


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