01 23 Magazin für Architektur, Garten und Lebensart

Die KRaft des ursprungs

Als einer von drei Bausteinen einer ursprünglichen Hofanlage, die in der schönen, hügeligen Endmoränenlandschaft der Holsteinischen Schweiz liegt, entwarfen SKA SIBYLLE KRAMER ARCHITEKTEN BDA das Haus am See.

Einst bestand der Hof aus Wohnhaus mit Tenne, Schweinestall und Scheune, die als giebelständiges Fachwerkhaus mit geringem Dachüberstand gebaut wurde. Mit dem strukturellen Wandel hat sich auch die Nutzung der einzelnen Gebäude hin zu Wohnhäusern geändert. Während das Hauptgebäude und der ehemalige Schweinestall bereits seit vielen Jahren als Wohnhaus genutzt werden, wurde nun die marode Scheune abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Für den behutsamen Umgang mit der Bestandssituation haben die Architekten besonderen Wert auf den Erhalt der Hofsituation und des ortstypischen, ländlichen Charakters gelegt. So entspricht das neue Wohnhaus in seiner Kubatur exakt der vorher an dieser Stelle stehenden alten Scheune. Selbst auf Gauben und Balkone wurde verzichtet, um die einfachen und klaren Konturen wiederzugeben. Auch die Wahl des Materials entspricht dem Ursprung und dem Gedanken der Nachhaltigkeit.

Das neue Gebäude ist ressourcenschonend und werkstoffgerecht als vorgefertigter Holzrahmenbau in dampfoffener Bauweise mit massiver, unbehandelter Brettstapeldecke aus Fichte, einer Zellulose-Dämmung und einer Fassade aus heimischer Weißtanne entstanden. Das Pfettendach erhielt eine scheunentypische Deckung aus Zinkblech mit Stehfalz. Anleihen an typische Elemente aus dem Scheunenbau prägen die Erscheinung des Neubaus: Über bündige, in Materialität und Konstruktion fassadengleiche Schiebeläden kann sich das Haus komplett gegen Blicke, Sonnen- oder Wärmeeinstrahlung verschließen. In diesen Momenten ist die Nutzung als Wohnhaus nicht mehr ablesbar – die geschlossene Hülle wird in der Wahrnehmung wieder zu einer Scheune. Die sparsam eingesetzten, bodentiefen Fenster sind so platziert, dass sie die Natur, den eigentlichen Star, inszenieren und die Blicke dorthin lenken.

Auch im Inneren sind die Wände des großen, gemeinschaftlichen Wohnraums und die Einbauten aus lasiertem, heimischem Fichtenholz gestaltet. Der Boden im Erdgeschoss wurde aus Estrich gegossen und anschließend geschliffen. Im Obergeschoss und im Spitzboden kehrt sich dieses Prinzip um, der Boden ist mit geöltem Eichenholz belegt, während die Wände das Licht über weiße Flächen reflektieren. Im ganzen Haus bleiben die Pfetten und die Brettstapeldecke als konstruktives Element sichtbar. Die Beheizung erfolgt im gesamten Haus über eine Fußbodenheizung, die von einer Wärmepumpe gespeist wird. Erdgeschoss und Obergeschoss sind mit einem Kamin­ofen ausgestattet, der es in den Übergangszeiten erlaubt auf eine weitere Beheizung zu verzichten. Das Brennholz wird auch aus dem zum Grundstück gehörigem Bruchwald gewonnen.

Ein Auffangbehälter sammelt das anfallende Regenwasser der Dachflächen und dient als Reservoir zur Nutzung in den trockenen Perioden des Jahres. Auf der 1,5 ha großen Weide, die früher der Landwirtschaft diente, wurden mit Unterstützung der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein wieder heimische Kräuter und Wildblumen gesät, die sich etablieren sollen. In den letzten Jahrzehnten sind großflächig arten- und blütenreiche Grünlandlebensräume verschwunden. Die wildbunten Blumenwiesen sind der Lebensraum für viele Tiere und bilden einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität.

Die Auslegungsheizlast des Ferienhauses von knapp 10 kW wird durch eine innovative Luft-Wasser-Wärmepumpe bereitgestellt. Die Nutzung von niederkalorischer Umgebungsenergie ermöglicht einen vergleichsweise geringen Primärenergieeinsatz, sodass nur etwa ein Viertel des gesamten Wärmebedarfs über elektrischen Strom gedeckt werden muss, was einer Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe von 4,0 entspricht. Dank des reversiblen Kreisprozesses, auf dem das Prinzip der Wärmepumpe basiert, ist sie im Sommer zudem zum Kühlen des Gebäudes einsetzbar. Die benötigte Energie zur Verdampfung des Kältemittels wird in diesem Fall der über einen ­Ventilator ange­saugten Umgebungsluft entzogen und über einen ­Wärmetauscher an das Heizungswasser abgegeben. Bevor das verdampfte Kältemittel am Wärmetauscher kondensiert, wird es über einen elektrisch betriebenen Kompressor verdichtet. Nach Abgabe der Wärme wird das Kältemittel mithilfe einer Drossel in den Ausgangszustand entspannt. Im Sommerbetrieb hingegen funktioniert die Wärmepumpe nach demselben Prinzip wie ein handelsüblicher Kühlschrank. Eine Fußbodenheizung in den drei Etagen gewährleistet ein komfortables Behaglichkeitsempfinden in allen Räumen. Die hohe Luftdichtheit der Gebäudehülle minimiert zudem die Wärmeverluste und erfüllt damit die aktuellen Anforderungen der EnEV. Für die Fenster wurden dabei dreifach verglaste Scheiben mit ­Holzrahmen verwendet. Als Unterdämmung wird die Fußbodenheizung im Erdgeschoss mit einer EPS-Wärmedämmung der WLG 035 isoliert. Die Ausführung der Baumaßnahme wurde fast vollständig an ortsansässige Handwerker vergeben.

SKA SIBYLLE KRAMER ARCHITEKTEN BDA haben einen Platz zum Wohlfühlen geschaffen. Einen wunderbaren Ort am Wasser, an dem man sehr gut wohnen und abschalten kann. Ausgezeichnet vom Callwey-­Verlag zählt das Haus am See zu den “50 besten Einfamilien­häusern des Jahres 2019”.


www.kramer-architekten.de

konsequent
gemütlich

ARCHITEKTEN SKA SIBYLLE KRAMER ARCHITEKTEN BDA, Hamburg
LAGE Nehmten, Schleswig-Holstein
BAUJAHR 2019
WOHN- UND NUTZFLÄCHE 250 qm
TRAGWERKSPLANUNG/KONZEPTION Wetzel & v. Seht, Hamburg
TRAGWERKSPLANUNG/AUSFÜHRUNGSPLANUNG Cornelius Back, Lübeck
HOLZKONSTRUKTION Cornils Holzbau, Panten
EINBAUTEN/TREPPE/KÜCHE Tischlerei Mühlenstedt, Schönkirchen b. Kiel 
LICHTKONZEPTIONDACH Licht 01, Katja Winkelmann & Robert v. Sichart, Hamburg